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26. Februar 2024

Kooperiert die Münchenstift gGmbH mit einer verfassungsfeindlichen Organisation?

Auf den einschlägigen Facebook-Accounts der Münchenstift gGmbH und der UID Women
Bayern (Union Internationaler Demokraten) findet man die Berichterstattung zu einer
Veranstaltung der UID im Hans-Sieber-Haus der Münchenstift gGmbH im Rahmen der
Ausstellung „Islam in Europa – Bilder des Zenith Fotopreises 2017 am 29.09.2021. Eine weitere
Veranstaltung fand im Rahmen eines Ramadan-Festesssens am 05. Mai 2022 in der gleichen
Einrichtung der Münchenstift gGmbH statt. Die bisher letzte bekannte Veranstaltung fand am
25.12.2023 statt.

Folgende Informationen über die UID findet man auf Wikipedia: „Die UID ist eine `Lobby-
Organisation´ der türkischen Regierungspartei AKP in Europa und insbesondere in Deutschland.
Sie agierte bis zur Umbenennung am 20. Mai 2018 unter dem Namen Union Europäisch-
Türkischer Demokraten. Gegenüber der Öffentlichkeit stellt sie sich dar als ein
Zusammenschluss zur Förderung des politischen, sozialen und kulturellen Engagements der
Türken in der Europäischen Union, bei dem die Belange des gesellschaftlichen Lebens und der
Integrationsprozess in die europäische Gesellschaft im Vordergrund stünden. Das deutsche
Bundesamt für Verfassungsschutz schätzt Ziele und Tun der UID seit 2017 als unvereinbar mit
der freiheitlich-demokratischen Ordnung ein. Die Organisation wird deshalb beobachtet. Das
deutsche Bundesamt für Verfassungsschutz beschreibt die UID im Verfassungsschutz-Bericht
für 2017 wie folgt: „In ihrer Vereinssatzung stellt sich die UID als Nichtregierungsorganisation
dar. Danach verfolgt der Verein keine politischen Ziele und ist ‚parteipolitisch und
weltanschaulich neutral‘. Tatsächlich ist sie jedoch keinesfalls eine unabhängige
Interessenvertretung türkischer Migranten, sondern eine regierungsnahe Vorfeldorganisation
der AKP, die im Sinne ihrer Mutterorganisation auf politischer und gesellschaftlicher Ebene
Lobbyismus für Interessen der AKP betreibt. In der Gesamtschau von Medienberichterstattung
und UID-Reaktionen zeigt sich ein weitverzweigtes Geflecht von Organisationen mit
Einflusssträngen aus hohen politischen Stellen in der Türkei bis hin zu lokalen ausführenden Strukturen in Deutschland.

So kann unmittelbar auf die Meinungsbildung und das Verhalten der
türkischen Diaspora eingewirkt werden. Mittelbar ist es so außerdem möglich, auf politische
Entscheidungsfindungsprozesse in Deutschland Einfluss zu nehmen.“ Sie wird seit 2017 vom
Verfassungsschutz beobachtet, weil sie „nicht mit der freiheitlich-demokratischen
Grundordnung vereinbar“ sei.
In Deutschland agiert die UID als Interessenvertretung des türkischen Staatspräsidenten
Erdoğan und seiner Partei AKP. Sie wirbt bei türkischen Parlamentswahlen für Stimmen und
organisiert regelmäßig Auftritte von AKP-Politikern im Ausland. Die Journalistin Canan Topçu
schreibt in diesem Zusammenhang von „sprachlich eloquenten und gut ausgebildeten
Handlangern von Erdoğan“. Der Vorstandsvorsitzende der UID Schweiz, Murat Sahin, steht
unter dem Verdacht, illegale Spionage für die AKP, anlässlich eines Seminars zum Völkermord
an den Armeniern, betrieben zu haben. 2008 organisierte die UID Erdoğans umstrittenen
Auftritt in Köln, wo der türkische Politiker Assimilation mit einem „Verbrechen gegen die
Menschlichkeit“ gleichsetzte. Im Jahr 2011 folgte die Organisation eines Wahlkampfauftrittes
von Erdoğan in Düsseldorf. Im Juli 2013 organisierte sie während der Proteste in der Türkei eine
Solidaritätskundgebung für Erdoğan, auf der auch der türkische Kulturminister Ömer Çelik
persönlich und Erdoğan per Videobotschaft auftraten. Zu der türkischsprachigen Veranstaltung,
auf der u. a. die angeblich einseitige, gegen Erdoğan gerichtete Berichterstattung der
deutschen, englischen und amerikanischen Medien angegriffen wurde, kamen zwischen 17.000
und 25.000 Teilnehmer aus dem gesamten Bundesgebiet und den Nachbarländern mit 240
Bussen nach Düsseldorf. Auch in Österreich organisierte die dortige Zweigstelle 2014 Erdoğans
Wahlkampftour und seine Rede in der Albert-Schultz-Halle in Wien. Mit Köksal Kuş, übernahm
ein Aktivist der rechtsextremen türkischen Bewegung Graue Wölfe im Januar 2021 den Vorsitz
des europäischen Hauptsitzes der UID.
Eine entsprechende Einflussnahme durch die Grauen Wölfe wurde auch im Rahmen der
Landtagswahl in Hessen 2023 durch die Partei Die Linke kritisiert. Die türkische Regierung
kritisierte im Juni 2015 stark den Beschluss des Bundestages, den Völkermord an den Armeniern
durch das Osmanische Reich während des Ersten Weltkrieges und die deutsche Beteiligung
daran in Form einer Resolution anzuerkennen. Im Vorfeld der Entscheidung schickte die „UID“
Protestbriefe an viele Parlamentarier. Nach der Verabschiedung der Bundestagsresolution am
2. Juni 2016 wurden türkischstämmige Bundestagsmitglieder bedroht. Die hiesigen türkischen
Verbände, wie die Türkische Gemeinde in Deutschland und der Moscheeverein DİTİB, äußerten
sich ablehnend zu den Morddrohungen, während die UID dazu schwieg. Die UID unterstützt die
Maßnahmen Erdoğans gegen die Anhänger von Fethullah Gülen (Hizmet-Bewegung) vor und
nach dem Putschversuch in der Türkei am 15./16. Juli 2016. Der UID-Vorsitzende der Region
Essen drohte ihnen nach dem Putschversuch per Twitter: „Ihr Ehrenlosen. Für euch gibt es
keinen leichten Tod.“ Nach dem Putschversuch 2016 sorgte die UID in Österreich für Aufregung,
als sie ihre Anhänger im Internet aufrief, Putsch-Unterstützer, respektive AKP-Kritiker, den
türkischen Behörden zu melden.

Laut Recherchen der Stuttgarter Nachrichten und des ZDF Magazins frontal 21 hat der Vorsitzende der UID Rhein-Neckar, Yilmaz Ilkay Arin,

am 1. April 2016 den rockerähnlichen Osmanen Germania Boxclub beauftragt, eine „Bestrafungsaktion“
gegen den TV-Moderator Jan Böhmermann vorzunehmen. Dieser hatte am Vorabend in seiner
Sendung Neo Magazin Royale ein „Schmähgedicht“ über den türkischen Staatspräsidenten
Recep Tayyip Erdoğan vorgetragen. Arin äußerte in von Strafverfolgungsbehörden abgehörten
Gesprächen, sein „Chef“ sei der türkische AKP-Politiker und Erdoğan-Vertraute Metin Külünk.
Die Ermittler kamen zu dem Schluss, dass es die Absicht der türkischen Regierung sei, mit Hilfe
von Organisationen wie der UID „unter anderem Einfluss auf die Medienlandschaft, die
Meinungs- und Pressefreiheit in Deutschland zu nehmen.““
(https://de.wikipedia.org/wiki/Union_Internationaler_Demokraten). Die oben genannten
Facebook-Berichte sowie weiteren Quellen und Auszüge aus dem Verfassungsschutzbericht des
Bundes und des Freistaats Bayern liegen der Fraktion vor.

Vor diesem Hintergrund frage ich den Oberbürgermeister:

1. Trifft es zu, dass die vom Verfassungsschutz beobachtete Union Internationaler
Demokraten als politische Vorfeldorganisation der türkischen Partei AKP
Veranstaltungen auf Einladung der Münchenstift gGmbH in der genannten Einrichtung
durchgeführt hat?

2. Gab es weitere Veranstaltungen mit dieser oder einer anderen vom Bundesamt für
Verfassungsschutz oder eines Landesamtes für Verfassungsschutz beobachteten
Organisation in einer Einrichtung des Münchenstifts oder einer anderen städtischen
Einrichtung?

3. Zu welchem Zeitpunkt war der Münchenstift gGmbH bekannt, dass die UID vom
Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet wird?

4. Ist es üblich, dass politische Vorfeldorganisationen ausländischer Parteien zu
Veranstaltungen in städtischen Tochterunternehmen eingeladen werden?

5. Erfolgten die Veranstaltungen mit Kenntnis oder Duldung des Aufsichtsrates?

6. Erfolgten die Veranstaltungen mit Kenntnis oder Duldung der Stadtspitze oder der
Leitung des Betreuungsreferates?

7. Erfolgten die Veranstaltungen mit Kenntnis und Duldung der damaligen und heutigen
Geschäftsführung?

8. Hat die damalige oder die heutige Geschäftsführung an der Organisation der Veranstaltungen mitgewirkt?

9. Hält der Oberbürgermeister die Veranstaltungen hinsichtlich der vulnerablen Personengruppe in den Einrichtungen der Münchenstift für unbedenklich?

10. Wurden seitens der Münchenstift im Vorfeld der Veranstaltungen allen Bewohnerinnen und Bewohnern des Hans-Sieber-Hauses Informationen zum Hintergrund der UID zur Verfügung gestellt?

11. Wie verhält es sich mit dem politischen Neutralitätsgebot des Münchenstifts?

12. Hätte eine einfache Google/Wiki-Recherche ausgereicht, um sich ein grundlegendes Bild vom Hintergrund dieser Organisation zu verschaffen?

13. Werden die Einrichtungen jetzt für alle politischen Vorfeldorganisationen jeglicher Couleur geöffnet?

14. Sind aktuell weitere Veranstaltungen mit dieser oder anderen politischen Organisationen geplant?

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